9. November - Schicksalstag mit zwei Seiten (1938 // 1989)

Im Jahr 1938 brannten in der Nacht des 9. November die Synagogen. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer.

Der 9. November: ein Schicksalstag. Nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Der 9. November 1938 ist einer der dunkelsten Tage in der deutschen, österreichischen und überhaupt europäischen Geschichte. Im gesamten damaligen Deutschen Reich brannten am 9. November 1938 die Synagogen, wurde jüdischer Besitz zerstört und Juden gejagt, gequält und getötet. Ein Fanal der Gewalt und ein Vorbote des Holocaust - vor aller Augen und sogar unter aktiver Beteiliger nicht weniger nichtjüdischer Reichsangehöriger. Es folgten der von Deutschland angezettelte Zweite Weltkrieg. Der von den propagandistisch aufgeputschten Massen im Deutschen Reich unterstützte "totale Krieg" des Nazi-Regimes endete mit ebenso totaler Niederlage und der Teilung Europas. Osteuropa und Ostdeutschland wurden dem Herrschaftsbereich der stalinistisch geprägten Sowjetunion zugeschlagen. Sie erlebten eine zweite Diktatur. Nach dem Ende des stalinschen Terrors war diese sehr viel weniger brutal - doch es blieb eine Diktatur. Vergeblich lehnten sich 1953 die Ostdeutschen, 1956 die Ungarn, 1968 die Menschen in der damaligen Tschechoslovakischen Sozialistischen Republik (CSSR) und ab Ende der 1970er Jahre die Polen gegen den von der Sowjetunion aufgezwungenen Weg zum Kommunismus in ihren Ländern auf. Europa blieb -- als direkte Folge der Nazi-Herrschaft -- von einem Eisernen Vorhang geteilt. Im Mai des Jahres 1989 nutzte Ungarn den frischen Wind, der mit Michail Gorbatschow als neuem Staatschef im Moskauer Kreml um die Welt wehte. Das erste große Loch in den Eiserne Vorhang wurde in Ungarn gerissen. Wenig später folgten in Polen erste halbfreie Wahlen. Die Friedliche Revolution in der DDR ab September 1989 zog schließlich das Ende des Staatssozialismus in allen anderen osteuropäischen Staaten nach sich. Am 9. November 1989 ertrotzten DDR-Bürger die Öffnung der Grenzen nach Westen - beginnend an der Mauer zwischen Ost- und Westberlin. Der Eiserne Vorhang war Geschichte geworden. Die Folgen der europäischen Teilung allerdings wirken bis heute nach. Und auch mehr als 80 Jahre nach den Pogromen des 9. November 1938 ist Gewalt gegen Juden noch eine Gefahr. Dies wurde am 9. Oktober 2019 überdeutlich. Ausgerechnet an einem für die Friedliche Revolution von 1989 entscheidenen Tag. Am Jahrestag der Leipziger Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 griff ein deutscher Rechtsextremist die Synagoge der Stadt Halle / Saale an. Er beabsichtigte, an den dort für einen religiösen Feiertag versammelten Juden ein Massaker zu verüben. Dies konnte verhindert werden, doch der Attentäter tötete statt dessen zwei andere Unschuldige. Wachsamkeit gegenüber antisemitischem und rassistischem Denken und Handeln ist auch heute ein Gebot der Stunde.